Im Rettungsdienst ist Zeit oft ein entscheidender Faktor. Um in kritischen Situationen strukturiert und effizient vorzugehen, wird das ABCDE-Schema verwendet. Es bietet eine klare Reihenfolge zur Beurteilung und Stabilisierung von Patienten, egal ob nach einem Unfall, bei plötzlichem Herzstillstand oder anderen Notfällen.

In diesem Artikel erklären wir, was das ABCDE-Schema ist, wie es funktioniert und warum es im Rettungsdienst unverzichtbar ist.


Was ist das ABCDE-Schema?

Das ABCDE-Schema ist eine standardisierte Vorgehensweise zur systematischen Untersuchung und Behandlung eines Patienten. Es hilft, lebensbedrohliche Probleme schnell zu erkennen und sofortige Maßnahmen einzuleiten.

Die Buchstaben ABCDE stehen für:

  • A: Airway (Atemweg)
  • B: Breathing (Atmung)
  • C: Circulation (Kreislauf)
  • D: Disability (neurologische Beeinträchtigung)
  • E: Exposure (Exposition und Umgebung)

Dieses Schema wird in der Reihenfolge abgearbeitet, da die Kategorien hierarchisch nach Priorität geordnet sind. Probleme bei A werden immer zuerst behandelt, bevor zu B übergegangen wird, und so weiter.


Schritt für Schritt: Das ABCDE-Schema

  1. A – Airway (Atemweg):
    Ziel: Sicherstellen, dass der Atemweg frei ist.
    • Beurteilung: Ist der Patient bei Bewusstsein? Kann er sprechen? Gibt es sichtbare Blockaden, wie z. B. Erbrochenes oder Blut?
    • Maßnahmen: Atemweg freimachen (z. B. durch Absaugen), Atemweg sichern (z. B. mit Guedel-Tubus oder Endotrachealtubus).
  2. B – Breathing (Atmung):
    Ziel: Beurteilung und Sicherung der Atmung.
    • Beurteilung: Atmet der Patient spontan? Wie ist die Atemfrequenz, Tiefe und Symmetrie? Gibt es Atemgeräusche wie Rasseln oder Stridor?
    • Maßnahmen: Sauerstoffgabe, Unterstützung der Atmung mit Beatmungsbeutel, Behandlung von Ursachen wie Pneumothorax.
  3. C – Circulation (Kreislauf):
    Ziel: Erkennung und Behandlung von Kreislaufproblemen.
    • Beurteilung: Puls (Qualität und Frequenz), Blutdruck, Hautfarbe und Temperatur, Blutungskontrolle.
    • Maßnahmen: Druckverband bei starken Blutungen, Volumenersatz, Herz-Kreislauf-Unterstützung (z. B. Herzmassage bei Herzstillstand).
  4. D – Disability (neurologische Beeinträchtigung):
    Ziel: Prüfung der neurologischen Funktion.
    • Beurteilung: Bewusstseinslage nach AVPU-Schema (Alert, Verbal, Pain, Unresponsive), Pupillenreaktion, Symptome wie Krampfanfälle oder Lähmungen.
    • Maßnahmen: Glukosegabe bei Unterzuckerung, Behandlung von Krampfanfällen, Immobilisierung bei Verdacht auf neurologische Schäden.
  5. E – Exposure (Exposition und Umgebung):
    Ziel: Untersuchung des gesamten Körpers und Kontrolle der Umgebung.
    • Beurteilung: Gibt es versteckte Verletzungen, wie z. B. Verbrennungen oder offene Frakturen? Wie ist die Körpertemperatur?
    • Maßnahmen: Wärmeerhalt oder Kühlung, vollständige Inspektion des Körpers, ggf. Schutz vor Umwelteinflüssen (z. B. Decke).

Warum ist das ABCDE-Schema so effektiv?

Das ABCDE-Schema sorgt für eine strukturierte und priorisierte Herangehensweise. Es minimiert das Risiko, lebensbedrohliche Probleme zu übersehen, da es nach dem Prinzip „treat first what kills first“ (behandle zuerst, was tödlich ist) aufgebaut ist.

Zudem ist es flexibel: Es kann sowohl im präklinischen Rettungsdienst als auch in der Notaufnahme angewendet werden. Ein weiterer Vorteil ist die Teamfähigkeit: Alle Beteiligten können sich durch die einheitliche Struktur leicht abstimmen.


Tipps für die Anwendung im Rettungsdienst

  • Ruhe bewahren: Eine strukturierte Vorgehensweise reduziert Stress und erhöht die Effizienz.
  • Regelmäßiges Training: Nur durch ständiges Üben wird die Anwendung des Schemas zu einer automatisierten Routine.
  • Kommunikation im Team: Klare Übergaben und Absprachen erleichtern die Behandlung.

Wenn ein zusätzliches C vor das klassische ABCDE-Schema gestellt wird, spricht man von „C-ABCDE“. Das vorgeschaltete C steht für Critical Bleeding (kritische Blutung) und adressiert die Kontrolle lebensbedrohlicher Blutungen noch vor der Sicherstellung der Atemwege.

C – Critical Bleeding (Kritische Blutung)

Bedeutung:
Massive Blutungen können innerhalb kürzester Zeit zum Tod führen, noch bevor andere Maßnahmen wie das Freimachen der Atemwege oder die Stabilisierung der Atmung greifen können. Daher wird bei massiven, äußerlich sichtbaren Blutungen der Fokus zunächst auf die Blutungskontrolle gelegt.


Maßnahmen bei C – Critical Bleeding:

  1. Direkter Druck:
    • Drücke mit sterilen Verbandsmaterialien direkt auf die Wunde, um den Blutfluss zu stoppen.
  2. Druckverband:
    • Wenn möglich, wird ein Druckverband angelegt, um eine langfristige Blutstillung zu gewährleisten.
  3. Tourniquet:
    • Bei extrem starken Blutungen (z. B. an Armen oder Beinen) kann ein Tourniquet (Abbindesystem) oberhalb der Verletzung verwendet werden.
    • Wichtig: Den Zeitpunkt der Anbringung dokumentieren, da das Tourniquet die Durchblutung komplett unterbricht.
  4. Hämostatische Mittel:
    • Bei schwer stillbaren Blutungen (z. B. in Körperhöhlen oder schlecht zugänglichen Stellen) können spezielle blutstillende Mittel (hämostatische Gaze oder Pulver) verwendet werden.
  5. Rasche Transportentscheidung:
    • Patienten mit unstillbaren Blutungen müssen schnellstmöglich in ein Traumazentrum gebracht werden.

Wann wird das C verwendet?

Das vorgeschaltete C ist besonders wichtig in:

  • Situationen mit starker Traumabelastung, wie z. B. nach Verkehrsunfällen, Explosionen oder Schussverletzungen.
  • Szenarien mit Amputationen oder offenen Frakturen, die zu starken Blutverlusten führen.

Fazit

Das ABCDE-Schema ist ein unverzichtbares Werkzeug im Rettungsdienst. Es bietet eine lebensrettende Struktur, mit der Patienten schnell und effektiv behandelt werden können. Die konsequente Anwendung des Schemas kann den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten – und ist damit ein zentraler Bestandteil der Notfallmedizin.

Indem Rettungsdienstmitarbeiter das Schema beherrschen und regelmäßig anwenden, können sie dazu beitragen, Patienten in ihrer kritischsten Zeit bestmöglich zu versorgen.

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